Bildungsbau – Investitionen in Zukunft
18.Februar 2021 | Thema: Bildungsgerecht – Bildung heißt Zusammenhalt | von Astrid Eibelshäuser
„Der Raum ist der dritte Pädagoge“, so sagt es der norditalienische Erziehungswissenschaftler Loris Malaguzzi (1920-1994). Der erste Pädagoge sind die anderen Kinder, der zweite die Lehrkraft…
Dass etwas dran ist an der These, wird niemand bezweifeln. Die Gestaltung des Raums spielt also eine wichtige Rolle im Unterricht und für Unterricht. Gibt es ausreichend Platz etwa für das Arbeiten in Gruppen? Bieten die räumlichen Voraussetzungen gute Bedingungen für die inklusive Bildung? Sind Rückzugsräume für Differenzierungen vorhanden? Ermöglichen die zur Verfügung stehenden Flächen forschendes Lernen, selbständiges Arbeiten und kooperatives Tun? Gibt es ausreichend Bewegungsflächen, wenn Schüler:innen den ganzen Tag in der Schule sind, gibt es genug Platz, dass zusammen Mittag gegessen werden kann?
Wir sprechen von neuen Lernlandschaften, und es geht auch um barrierefreie Zugänge, gute akustische Bedingungen und eine Architektur, die dazu beiträgt, dass alle gerne in der Schule sind. Dabei geht es nicht um ein pädagogisches „Schöner wohnen“, die Ästhetik des Raums ist Ausdruck der Haltung gegenüber Kindern und wirkt stilbildend für die Haltung der Kinder.
Diesen Herausforderungen stellen wir uns.
Wachsende Zahl an Kindern in Gießen und Veränderungen in den Schulen erfordern Investitionen
In einer wachsenden Stadt leben auch mehr Kinder, die Kitas und Schulen besuchen. Schon deshalb müssen einzelne Schulen ausgebaut werden. Aber gerade auch veränderte Bildungskonzepte und die Entwicklung der ganztägig arbeitenden Schulen brauchen Mensen, größere Bibliotheken, Differenzierungs- und Rückzugsräume und Freiflächen zum Spielen, Toben und Ausruhen. Die klassische Flurschule mit einem Klassenraum für jede Klasse gehört längst der Vergangenheit an. Zeitgemäßer Unterricht beinhaltet, dass es unterschiedliche Lernwege und unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten gibt. Dafür müssen die gewohnten räumlichen Raster aufgebrochen werden, zeitgemäßer Unterricht braucht variable Raumsituationen für flexible Methoden und Sozialformen, in denen analog und digital gelernt werden kann.
Viel wurde schon gebaut, vieles ist in Planung
Bereits in den letzten Monaten und Jahren wurden in Gießen neue Mensen insbesondere an Grundschulen fertiggestellt, Schulhöfe sind neu angelegt worden und an vielen Schulen werden aktuell Unterrichtsgebäude, aber auch Sporthallen saniert. Es entstehen neue Mediatheken und Räume für selbstorganisiertes Lernen. Und zahlreiche bauliche Maßnahmen sind in Planung und werden zeitnah beginnen.
Anforderungen an Schulbaumaßnahmen – nachhaltiges Bauen für nachhaltige Bildung
Schulbaumaßnahmen müssen unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden. Es geht um die räumlichen Voraussetzungen für eine zeitgemäße Pädagogik, es geht um eine Architektur, die der besonderen Wertigkeit der Bildungsbauten gerecht wird, es geht um die Infrastruktur für digitalisiertes Lernen und um Barrierefreiheit und es geht in besonderer Weise auch um nachhaltiges Bauen als Beitrag zum klimagerechten Umbau der öffentlichen Liegenschaften. Nachhaltige Materialität, hohe energetische Standards, Energieversorgung durch eigenerzeugten Solarstrom und intelligente Wärme- und Lüftungssysteme ermöglichen eine positive CO2-Bilanz, dies wird im Hochbau konsequent umgesetzt.
Schulbau setzt auf Beteiligung
Jede Schulbaumaßnahme erfordert eine frühzeitige Beteiligung der Schulgemeinde, damit die Planungen von Gebäuden und Räumen den pädagogischen Konzepten der Schule gerecht werden. Jede umfassende Sanierung einer Schule bietet in besonderer Weise die Chance, die eigenen pädagogischen Konzepte weiterzuentwickeln und dafür die baulichen Voraussetzungen zu erhalten. Damit sind Sanierungen, Um- und Neubauten immer auch Motor für Schulentwicklungsprozesse, die offensiv genutzt werden müssen. Regelhaft ist an der Schnittstelle von Architektur und Pädagogik deshalb die so genannte Planungsphase Null bei allen größeren Vorhaben vorgesehen, in der mit externer Begleitung durch einen Schulbauberater und unter Beteiligung der gesamten Schulgemeinde das pädagogische Konzept weiterentwickelt und die Anforderungen an Flächen und Räume definiert werden. Auf dieser Grundlage entstehen dann Vorplanungen und Entwürfe, die in jeder Phase unter Einbeziehung der Schule beraten werden.
Investitionen in Schulbau verstärken
In der Vergangenheit wurde bereits viel gebaut, dennoch geht aufgrund der eingangs beschriebenen Herausforderungen die Schere zwischen dem, was innerhalb des bisherigen Investitionsrahmens in Planung und Umsetzung und dem, was an dringenden Aufgaben zu erledigen ist, immer weiter auseinander. Deshalb setzt sich die Gießener SPD dafür ein, dass der Investitionsrahmen ausgeweitet wird. Wir setzen uns dafür ein, dass in den nächsten Jahren in Gießen jährlich 15 Millionen Euro in Schulbau investiert werden.
Eine Investition in Schularchitektur ist immer eine nachhaltige Investition mit einer hohen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Rendite. Sie prägt über Jahrzehnte hinweg die einzelne Schule und das Lernen und Lehren. Eine Pädagogik für das 21. Jahrhundert benötigt Gebäude, die flexibel auf neue Konzepte, organisatorische Anforderungen und demografische Entwicklungen reagieren können.